DIE LETZTEN TOBLACHER GESPRÄCHE
Hans Glauber

 

Die Toblacher Gespräche 1999 werden die 15. und die letzten dieses Zyklus sein.

Alle bisherigen Toblacher Gespräche waren auf der Suche nach einem neuen Zivilisationsmodell, ausgehend von der Überzeugung, daß die gegenwärtige Entwicklung nicht zukunftsfähig ist. Es wurden in vielen Bereichen Lösungsvorschläge für eine ökologisch verträgliche, sozial angepaßte und ökonomisch tragfähige Zukunft formuliert und konkrete Beispiele aufgezeigt. Diese Suche ist nicht abgeschlossen, die Umsetzung, das Handeln steht aber immer mehr im Vordergrund. Deshalb wollen wir am Ende dieses Jahrhunderts diesen Zyklus der Toblacher Gespräche abschließen und neue Wege beschreiten.

Für dieses Vorhaben gibt es noch kein konkretes Konzept. Denkbar sind kleinere und weitgehend umsetzungsorientiertere Veranstaltungen/Seminare im neuen "Kulturzentrum Grand Hotel Toblach", mit Zielgruppe vor allem Südtirol, aber auch der italienische Interessentenkreis, der zunehmend Interesse an den Toblacher Gesprächen gefunden hat. Es könnte so etwas wie eine "Akademie der Toblacher Gespräche" entstehen.

Der Abschluß soll gefeiert werden. Geplant ist ein Konzert im "Kulturzentrum Grand Hotel Toblach" mit dem Trio Brahms (Bologna) und der Sopranistin Sabina von

Walther. Aufgeführt dabei wird ein Auftragsstück der Toblacher Gespräche "...le linee della vita", komponiert von Arnaldo de Felice. Dazu kommen Werke von Beethoven, Martinu und Schubert. Das Auftragswerk wird in Weimar am 15 Juli uraufgeführt. Sowohl die Auftragskomposition wie auch die Auswahl des Programmes richten sich nach dem Schönheitsbegriff, der aus den Toblacher Gesprächen 1998 hervorgegangen ist: das Weniger, die Begrenzung als ästhetische Ressource.

Die 1997 begonnene Zusammenarbeit Toblach-Weimar geht weiter. Mit der Veranstaltungsreihe "Langsamer, weniger, besser schöner - Weimarer Erkundungen zur ökologischen Moderne" haben das Weimarer Projektbüro der Heinrich-Böll-Stiftung und die Toblacher Gespräche dazu beigetragen, daß im Rahmen der Europäischen Kulturstadt 1999 auch Fragen unserer Zukunftsfähigkeit aufgegriffen werden. Die große Nachfrage nach diesem Angebot hat uns darin bestärkt, den gemeinsamen Weg auch über 1999 hinaus fortzusetzen. Unmittelbare Querverbindungen zur möglichen "Akademie der Toblacher Gespräche" wird es in verschiedenen Feldern geben, für Weimar vor allem dort, wo Zukunftsfähigkeit in ihrer kulturellen Dimension betrachtet wird. So wie Toblach als Scharnier zwischen dem deutschen und dem italienischen Kulturraum wirkt, so entwickelt sich Weimar zunehmend als Ort der Kommunikation mit Menschen, vor allem mit Jugendlichen, aus Osteuropa. Überlegungen zur Zukünftsfähigkeit sind dort, wie übrigens überall, dringender denn je.

 

Am Ende dieses Jahrhunderts stellt sich die dringende Frage, wie wollen wir im nächsten Jahrhundert leben, welche Schritte sind notwendig, damit unsere Gesellschaften zukunftsfähig werden. Wir sind heute mit der Notwendigkeit konfrontiert, mit einem stark reduzierten Naturverbrauch auskommen zu müssen. Das zwingt uns, mit anderen Augen ins neue Jahrhundert zu schauen. Die Begrenzung kann die neue Ressource werden, auf die Begrenzung und auf eine effizientere Nutzung der Ressourcen kann sich eine neue Kultur, eine Kultur der Nachhaltigkeit und ein neuer Wohlstand begründen. Ein Neueinstieg ins 21. Jahrhundert ist geboten.

Als letzte dieses Zyklus wollen die Toblacher Gespräche 1999 einen Abschluß darstellen, aber auch Perspektiven für eine Zukunftsfähigkeit aufzeigen und einem Blick in das 21. Jahrhundert wagen. Darüber hinaus sollen auch Überlegungen angestellt werden über eine zukunftsfähigen Entwicklung in Südtirol, der Heimat der Toblacher Gespräche.

In vier umweltrelevanten Feldern - Energie, Landwirtschaft, Mobilität und Tourismus - wollen wir die Visionen einer zukunftsfähigen Entwicklung entwerfen, innovative und bereits realisierte Beispiele auf dem Wege dahin vorstellen und überlegen, welche Strategien und Schritte in Südtirol notwendig sind, um sich diesen Visionen zu nähern.

Konkret geht es um die Vision des Einstiegs in das solare Zeitalter, das die einzige Option für das nächste Jahrhundert sein wird, um eine Landwirtschaft, die wieder zur "Agrikultur" wird, um eine Mobilität, die von Mobilitätsdienstleistungen getragen ist; und um einen Tourismus, der nicht die eigenen Grundlagen zerstört und sich in Harmonie mit Natur und Kultur entwickelt. Dabei wird zu fragen sein, welche touristischen Strategien in der "Nachschnee-Ära" in einer Region wie Südtirol denkbar sind.

Südtirol hätte mannigfaltige Voraussetzungen, Modell einer zukunftsfähigen Entwicklung zu werden. Als Region in einem ökologisch höchst sensiblen Gebiet ist eine nachhaltige Entwicklung geradezu zwingend.

Es geht aber nicht nur um die ökologische Dimension. Die soziale Nachhaltigkeit und das Zusammenleben der Kulturen in einem Europa der Regionen wird eine entscheidende Frage der Zukunft sein. Eine multikulturelle Gesellschaft in einem vereinigten Europa ist die Herausforderung. Südtirol kann als positives Beispiel für das Zusammenleben verschiedener Kulturen angesehen werden.

Das 21. Jahrhundert steht vor der Tür. Es wird das Jahrhundert der Umwelt sein bzw. werden müssen. In einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Politik auf den verschiedenen Ebenen sollen Strategien für eine zukunftsfähige Politik zwischen Machbarkeit und Vision überlegt werden. Visionen sind lebenswichtiger denn je, wollen wir die Zukunft meistern. "Die Utopie ist die Wahrheit von morgen".

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