Toblacher Thesen 1985

Für einen anderen Tourismus: am Beispiel des Bergtourismus

Der alpine Raum ist ein sehr verletzliches System. Es bestehen intensive Wechselwirkungen zwischen seiner Wirtschaft, seinem sozialen Gefüge, seiner Kultur und der natürlichen Umwelt.

Wir wollen uns für einen Tourismus einsetzen, der diese Vernetzungen berücksichtigt, einen Tourismus langfristig

  • einen größtmöglichen Nutzen für alle Beteiligen schafft: die Ortsansässigen, die Tourismusunternehmungen und die Gäste
  • und gleichzeitig untragbare ökologische Nachteile vermeidet.

Diese Aufgabe ist heute nicht mehr unlösbar.

These 1

Die gegenwärtigen Umwelt-, Wirtschafts- und sozialen Krisen geben Anlaß zu einem Umdenken und öffnen die Chance zu neuen Perspektiven.

These 2

Zum Ziel der langfristigen Sicherung des Berggebietes als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum kann der Tourismus wesentlich beitragen. Es besteht aber die Gefahr, daß dieses Ziel auch mit Tourismus nicht erreicht wird, dann nämlich, wenn der Tourismus seine eigenen Grundlagen - die Landschaft und die kulturelle Eigenart - zerstört.

These 3

Es gilt heute, Grenzen zu setzen und vor allem Grenzen zu akzeptieren. Dies kann über Unterlassungen, Gebote, Verbote, Anreize und besonders über die Bildung eines neuen Bewußtseins geschehen. Es gilt auch, rechtzeitig zu erkennen, wo Tourismus überhaupt ausgeschlossen bleiben soll.

These 4

Jede Tourismusentwicklung soll konsequent auf die natürliche und kulturelle Eigenart einer Region ausgerichtet werden. Der Tourist soll sich dieser Eigenart anpassen und nicht umgekehrt. Das touristische Angebot soll ein unverkennbares lokales Profil erhalten, das auch in der Tourismuswerbung entsprechend zum Ausdruck zu bringen ist. Weg vom gleichmacherischen Einheitsangebot, Mut zu mehr Differenzierung.

These 5

Hinter jeder Tourismusentwicklung stehen vielfältige Interessen. Sie müssen nach einer vereinbarten Priorität der Ziele ausgerichtet werden: In jedem Falle sind die Interessen der Ortsansässigen vor die Interessen der Auswärtigen zu stellen. Dabei sind die Ansprüche einer die Kulturlandschaft erhaltenden Landwirtschaft von besonderer Bedeutung.

These 6

Tourismusprojekte müssen Teil eines Gesamtkonzeptes sein, das von Anfang an unter Mitbeteiligung aller Betroffenen zu erarbeiten ist. Diese Mitbeteiligung ist durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

These 7

Alle voraussehbaren sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen lassen eine weitere Ausdehnung der touristischen Nachfrage nach bisherigem Muster nicht erwarten. Aus diesen Gründen ist ein weiterer quantitativer Ausbau der touristischen Kapazitäten mit ökonomischem Risiko behaftet. Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist zu reduzieren.

These 8

Ökologie ist Langzeitökonomie. Das ist die Maxime für eine Zukunft mit Zukunft vor allem auch im Tourismus.

These 9

Tourismus muß den Zugang zum sinnlichen Erlebnis und zur Schönheit eröffnen. Die entsprechenden Werte sind bewußt zu erhalten und zu kultivieren. Es sind auch Anstrengungen zur Verschönerung der gebauten Umwelt zu erkennen.

These 10

Zukünftige Tourismuspolitik muß zu einer neuen Zusammenarbeit von Stadt und Land, von Reisenden und Bereisten führen, die auf den Prinzipien einer gerechten Verteilung von Kosten und Nutzen beruht. Der Gefahr politischer und ökonomischer Fremdbestimmung muß stetig entgegengetreten werden.

These 11

Tourismus ist für viele die Zeit der größten Freiheit. Darin liegt die Chance, Selbstbestimmung, gegenseitiges Verständnis und Solidarität, auch mit der Natur, einzuüben und Formen eines anderen Lebens zu erproben. Tourismus als Impulsgeber für einen besseren Alltag.
Tourismus ist für den Menschen geschaffen und nicht der Mensch für den Tourismus.


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